Raison de coeur e.V.

Die Formulierung „RAISON DE COEUR“ geht auf ein Wortspiel des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal (1623-1662) zurück: Während sich für rationale Überzeugungen Regeln aufstellen lassen, muss die emotionale Annäherung an den Mitmenschen zugleich auch dem Gefühl entsprechen. Pascal geht davon aus, dass beide Zugänge nicht gegeneinander stehen, sondern dass es einen Bereich des Wissens und der Entscheidungen gibt, der nicht bewiesen werden kann.
Im Anschluss an Pascal ging es bei HERZENSBILDUNG zunächst darum, durch einen bewussten und maßvollen Einsatz der Gründe des Herzens die eigene Verantwortung für ein solidarisches Miteinander wahrzunehmen. Je mehr diese Fähigkeit das Denken und Handeln durchdrangen, umso mehr sprach man von HERZENSBILDUNG.

„Le coeur a ses raisons, que la raison ne connait pas“ – Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt.
(Blaise Pascal)

Die gegenwärtige Konjunktur von Themen aus Bereichen der „emotionalen Intelligenz“ oder „Sozialkompetenz“ verweist unseres Erachtens auf den tiefer gründenden Verlust bemerkter HERZENSBILDUNG. Am Ende des 20. Jahrhunderts betonte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog, dass ein Vertrauen allein in technische Intelligenz kein menschenwürdiges Leben garantieren kann. Eine Demokratie benötige Führungskräfte mit „ethischem Profil, die sich gegenüber dem kurzfristigen Zeitgeist unkorrumpierbar zeigen und deren Solidarität auch diejenigen umfasst, die für sie nicht nützlich werden können“. Dieser Gedanke gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle Menschen im Sinne einer notwendigen Vernunft des Herzens.

„Und bleibe bei dem, was dir dein Herz rät; denn du wirst keinen treueren Ratgeber finden. Denn mit seinem Herzen kann ein Mann oft mehr erkennen, als sieben Wächter, die oben auf der Warte sitzen.“
(Sirach 37, 17f)

Der Begriff HERZENSBILDUNG erinnert daran, dass Intelligenz, Wissensmengen und Kompetenzen nicht die einzigen Gütekriterien für einen gebildeten Menschen sind. Deshalb möchten wir auf kreative Weise Orte schaffen, an denen herzliche Begegnungen und eine aufrichtige Lebenskultur erfahrbar werden. Wir wollen Mitmenschen anregen und unterstützen, unabhängig von Alter, Religionszugehörigkeit oder sozialer Herkunft als herzliche Vorbilder für solidarische Gemeinschaften zu leben. Dabei sollen insbesondere empfindsame und stille Menschen zu Selbstvertrauen und zu bemerkter oder unbemerkter Mitarbeit ermutigt werden. Das Gelingen eines herzlichen Lebens ist vom sichtbaren Nutzen unabhängig.

„Denn nichts von dem, was als Wirkliches zum menschlichen Herzen gelangt, darf vernichtet werden noch auch hinausgeschickt oder an der Tür stehen gelassen werden; nichts Wirkliches darf gedemütigt werden, nicht einmal die Halbwirklichkeiten, die um den lebendigen Raum des Herzens herumflattern…“
(Maria Zambrano)

Wir möchten durch unsere Arbeit daran erinnern, ermutigen und Hilfestellungen geben, die menschlichen Fähigkeiten für ein aufmerksames und aufrichtiges Miteinander zu gebrauchen und auch angesichts von Erschöpfung, Grenzen und Scheitern am „Dennoch des Herzens“ festzuhalten. Wir möchten eine geistige und praktische Grundlage bewahren und pflegen, auf der das Leben in der Welt sowie der Umgang miteinander auf sinnvolle Weise gestaltet werden können, ohne den Gründen des Gefühls zu widersprechen. Die pluralistische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts wird nur unter Zuhilfenahme einer HERZENSBILDUNG eine zeitgemäße Sozialethik ausbilden können.

„Die Analysen bleiben machtlos, der Dringlichkeit unangemessen, die uns das Herz einschnürt. Wir denken, dass es an dieser Grenze ist, an diesem Punkt der Erschöpfung, dass man anfangen muss neu anzufangen. Und genau diese Grenze berührt das Innerste oder den Grund des Herzens.“
(Jacques Derrida)


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